Bärbel van Dawen ist die personifizierte Liebenswürdigkeit. Sie kommt mit leisen Tönen. Sie kommt mit Standpunkten.
Bärbel ist seit 1974 in der Partei. Sie studierte von 1971 bis 1974 Sozialpädagogik an der kath. Fachhochschule und arbeitete bei dem AWO-Bundesverband. Seit Mitte der 90er ist sie in dem Bereich Frühkindliche Bildung selbstständig tätig.
Wie war das damals, an was erinnert sie sich, an die Siebziger?
Die Partei, die Uni und die Diskussionen waren bestimmt von verschiedenen linken und noch linkeren oder auch mittigen, halb mittigen oder konservativen Gruppen und Grüppchen innerhalb der Partei. Es hört sich an wie ein wüstes Nebeneinander sich voneinander abgrenzender Zirkel. Bärbel entscheidet sich für die Jusos. Ganz am Rande: Sie trug zum „Sturz“ ihres Ehemanns als damaliger Juso Vorsitzender bei, was er bei unserem Gespräch mehrfach wiederholen wird.
Die ASF spielte in den frühen Siebzigern schon eine wichtige Rolle innerhalb der Partei. Aber auch bei der ASF gab es diesen Wettbewerb der Gruppen und Grüppchen. Aus heutiger Sicht mutet manches sektenhaft und unverständlich an, aber so waren die Zeiten.
In den siebziger Jahren fingen Frauen systematischer als vorher an, ihren Platz einzufordern. Dazu gehörte Mut und Tatkraft, aber auch das Schmieden von Koalitionen und das Suchen von Verbündeten. Eine Stärke von Bärbel.
Bärbels Schwerpunkt war die Juso- und Ortsvereinsarbeit. An den ersten Versuchen auf OV-Ebene eine ASF-AG zu gründen, nahm sie teil. Dabei lernte sie Ursula Linnhoff kennen, erste ihr bekannte lesbische Frau und Feministin. Ursula Linnhof wohnte damals in der Südstadt. Dadurch verfolgte sie auch am Rande, die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Gruppierungen in der ASF auf der einen Seite Ute Canaris – langjährige Vorsitzende der ASF und auf der anderen Seite, die mehr auf die feministische Frauenbewegung orientierte Gruppe außerhalb der Partei.
Mit der Unterstützung der Jusos wurde sie schnell Schriftführerin und bekam Gewicht („wir mischten auf“). Dann ging es in der Partei weiter: 1979-1987 wurde sie als eine der ersten Frauen (zweite damals in Köln) OV-Vorsitzende: Ihr Vorgänger ging aus Köln weg und die Genossen suchten einen Nachfolger und schlugen aus dem Nachbarortsverein den damaligen Juso UB-Vorsitzenden Andreas Henseler vor. Bärbel fand diesen Vorschlag nicht richtig und erklärte ihre eigene Kandidatur zur Überraschung der Genossen. Damals wurde eine Frau und auch noch keine 30 Jahre alt als kritisch angesehen und sie spürte besonders in den ersten Jahren immer wieder die Vorbehalte von den eigenen Genossen. Nach und nach entwickelte sich eine Gruppe von jüngeren Frauen, die sich gegenseitig unterstützen und somit das Klima veränderten.
In Köln übernahmen in den folgenden Jahren immer mehr Frauen den Vorsitz, so dass dies kein relevantes Thema mehr war.
Im Vorfeld der Wahlen zum Unterbezirksvorstand 1987 wurde sie gefragt, ob sie auch kandidieren wollte. Ein Genosse stellte jedoch die Frage nicht direkt an sie, sondern an ihren Mann. Die Absage war klar. In der Partei gab es die Diskussion um die Quotierung und Kurt Uhlenbruch, damals Kandidat der Linken, wollte mit einer entsprechenden Gruppe kandidieren. Bärbel sagte zu, da bei dieser Gruppierung auch Frauen, mit auf die Liste sollten, die schon in der Partei Verantwortung übernommen hatten neben Kandidatinnen der ASF. Von 1987 bis 1997 war sie Beisitzerin im Unterbezirksvorstand. Den OV-Vorsitz gab sie auf und selbstverständlich wurde eine Frau ohne Nachfrage gewählt. In diesen Jahren war die Quotierung in Süd-Neustadt ein Schutz für die Männer. Das lag an der starken ASF-AG, die sich gebildet hatte und sich auch persönlich unterstützte. Walla Blümcke hatte die ASF-AG damals neu gegründet und neben vielen innerparteilichen Themen wirkte die Gruppe auch mit Aktionen wie Frauenfilmen im Bürgerhaus Stollwerck und einer großen Aktion/Demo zum 8. März bei der sogar der Verkehr am Chlodwigplatz gestoppt wurde, ins Viertel. Dies war aus Bärbels Sicht eine gute Verknüpfung von Politik und auch gemeinsamer Aktion.
Was gab es Negatives in der Zeit? Bärbel nennt die Ausgrenzungen innerhalb der Linken, die Frauen mussten erst lernen, gemeinsam voranzuschreiten. Auf OV- Ebene waren die linken Frauen die Speerspitze. Dort wurde Solidarität unter den Frauen Groß geschrieben.
Was sich durch alle Erzählungen von Bärbel durchzieht: Das Aktivieren von Menschen war eine ihrer Stärken, auch wenn man meint, dass sie überhaupt nicht laut sein kann. Sie hat es dann auch immer wieder geschafft, Unterstützer zu motivieren. Zu Beginn der OV-Tätigkeit waren es eine kleine Gruppe Jusos, dann später in ihrer Zeit im Unterbezirksvorstand waren es die Senioren aus der von ihr gegründeten Senioren AG (sie war damals noch keine 40!!), die ihr die nötige Förderung und Rückenwind gaben.
Die 70er und frühen 80er waren für Frauen wie Bärbel eine gute Zeit: Viele Männer und Frauen unterstützten Frauen dabei, erstmals Positionen zu übernehmen, die damals wie selbstverständlich traditionell von Männern eingenommen wurden. Viele GenossInnen haben diese Entwicklung begrüßt.
Gefragt nach der größten Veränderung durch eine Frau an der Spitze, kommt sehr deutlich der Satz: „Ich habe das Klima innerhalb des Ortsvereins, den Umgang miteinander geändert. Wir sind besser miteinander umgegangen als zu Zeiten, wo ausschließlich Männer das Sagen hatten.“ Darüber hinaus ist es den Mitgliedern in der SPD auch mit Hilfe von Frauen wie Bärbel gelungen, ein Selbstverständnis für Frauen in Führungspositionen und politischen Ämtern zu erzielen.
Aber wie so oft in der Biografie von Frauen, hat die Familiengründung und -erweiterung durch insgesamt drei Kinder innerhalb von drei Jahren ihrem Leben eine neue Richtung gegeben. Im Gespräch hat man nicht den Eindruck, als wäre Bärbel dadurch traurig oder hätte das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Sie hat im Unterbezirk deutliche Spuren hinterlassen, ist immer noch aktiv und nimmt an den Sitzungen und Veranstaltungen weiterhin teil. Man bekommt den Eindruck, Engagement und Gestaltung machen ihr auch heute mit immerhin 72 Jahren noch viel Spaß – wie man ihrem leicht verschmitzten Lächeln entnehmen kann.
Was sie sich für die Zukunft der Partei wünscht?
Das sich die Frauen auch bei Parteitagen stärker zu Wort melden und Gehör verschaffen. Es sind immer noch zu viele Männer, die dort reden, die Frauen halten sich zu sehr zurück. Sie wünscht sich bessere Arbeits- und Rahmenbedingungen. Mit Sorge beobachtet sie, dass viele junge Frauen in der Gesellschaft in alte Rollen zurückfallen. „Wir haben für anderes gekämpft“.
Bärbel, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Angelika Christ im April 2024.